Hunde im Futur

Sammlung: 
Cover "Hunde im Futur"

Hunde im Futur? Wohl eine falsche Fährte! Denn, wie die Leser:in feststellen wird, ist die Bestimmung der Zeit die Sache von Verben, Adverben und Konjunktionen, während die Substantive, die Namenwörter, also die Hunde, es nur mit Genus, Singular, Plural, Kasus zu tun haben.

Erst in der Mitte des Buches erfolgt eine Andeutung per Bild: Hier entsteht eine Hundeschule - und schließlich erfahren wir, was Hunde in der Hundeschule lernen werden bzw. gelernt haben werden.

Bis dahin hat das Lesen von Text und Bildern schon großen Spaß gemacht! Eine eigentlich einfache Klapptechnik – jede rechte Buchseite lässt sich wie eine Doppeltür, wie ein Schrank aufklappen - entpuppt sich als raffinierte Unterbringung der notwendigen Beispiele für die grammatische Beschreibung unserer Sprache. Wir treten in diese Welt ein: Substantiv, Pronomen, Fälle, Zeiten … neue Bildräume öffnen sich, Illustrationen setzen sich unter der Klappe fort, oder durch Umklappen verändert sich die Szene. Das ist toll gemacht und durchdacht.

Zwei Autor:innen, eine Illustratorin, ein Grafiker haben nicht etwa den „Brei verdorben“, sondern ein Gericht zusammengestellt, das Kindern und Erwachsenen schmecken wird. Obwohl: ein paar schwerer verdauliche Zutaten gibt es. Da wäre die lateinische Begrifflichkeit zu nennen: sie wird ins Deutsche übersetzt, aber auch sehr nüchtern und streng. Das bleibt schwierig, für Kinder allemal. Glücklicherweise sind die Anwendungs-Beispiele in Text und vor allem Bild sehr anschaulich. Aber hier hat mich ein eher erzählender Bild-Text ratlos zurückgelassen. Zum Relativpronomen heißt es:

 „Der Mann, der beobachtet wird, läuft zum Bahnhof.

   Der Mann, dessen Frau eifersüchtig ist, läuft zum Bahnhof.

   Die Frau, deren Mann ein Geheimnis hat, läuft zum Bahnhof.

   Der Mann, dem das Herz schlägt, läuft zum Bahnhof.

   Der Mann, den seine Frau nicht aus den Augen lässt, läuft zum Bahnhof.“

Dieses Beispiel fällt richtig aus dem Rahmen, weil es sich so gar nicht auf Kinderebene abspielt und auch für Erwachsene merkwürdig anmutet. Auf den dem Text zugehörigen Bildern trägt der Mann, der zum Bahnhof läuft, einen auffallenden Hut. Warum nicht anhand des Hutes die Geschichte durchdeklinieren?

Doch genug damit, die Buchmacher:innen schenken uns auf vielen Seiten viele gelungene Veranschaulichungen! Wie der Gebrauch bestimmter Formen den Klang der Sprache beeinflusst, zeigen sie im Kapitel „Imperfekt“. Der Gebrauch von starken Verben (nehmen – ich nehme – ich nahm) klänge im Gegensatz zum Gebrauch eines schwachen (legen – ich lege – ich legte) viel spannender und märchenhafter, der Abdruck eines Märchentextes als Beispiel folgt auf dem Fuß.

Dass es für Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen, (noch) kein Personalpronomen gibt, ist ihnen einen Hinweis wert und möglicherweise als Aufforderung zu nehmen, ein solches zu erfinden. (1)

Die Monotypietechnik der Illustrationen schafft mit ihren weichen Tönungen und den etwas unbestimmten Begrenzungen Spannung zum Gegenstand des Textes. Die Illustratorin startet beim „Substantiv“ mit nur zwei Farben, je tiefer die Leser:innen in die Vielfalt der Sprachformen eintauchen, desto farbiger werden die Szenen. Die Bilder und die Buchgestaltung vor allem werden dazu führen, dass „Hunde im Futur“ immer wieder zur Hand genommen werden wird! Und ja, möglicherweise macht dieses Buch Grammatik nahbar. Und das Cover - ein Hingucker, wie er im Buche steht.

(1) Im Jugendbuch „Bus 57“ – von Dashka Slater (bei Loewe erschienen) identifiziert sich ein Protagonist als agender und gebraucht das Personalpronomen „sier“.

Susanna & Johannes Rieder
Hunde im Futur
Eine Grammatik in Bildern
Illustration: 
Arinda Cračiun, Carsten Aermes (Grafik und Buchgestaltung)
Susanna Rieder Verlag
2021
128 Seiten
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