Sprechen, Schreiben, mit Sprache spielen, Sprache untersuchen, Wörter hinzu lernen - das alles passiert in diesen drei Sprache-Büchern mit viel Spaß für Kinder und ihre Erwachsenen. Jedes Buch bietet darüber hinaus eine ganz eigene Bilder-Begleitung, die auch "gelesen" werden will: Viel Vergnügen mit dieser kleinen, besonders feinen Auswahl aus den Mengen von Sprache-Büchern!
Jeden Tag ein neues Wort entdecken
„Je mehr Wörter ein Kind kennt, desto mehr weiß es über die Welt! Manchmal kann es schwer sein, neue Wörter zu lernen, wenn die Leute um einen herum diese Wörter nicht benutzen.“
Wohl wahr! Wie steht es mit dem umgekehrten Fall: Erwachsene benutzen ein Wort, dass das Kind nicht kennt. Dann ist es möglicherweise in diesem Buch zu finden? Ja, möglich wäre es, aber nicht sehr wahrscheinlich, denn ein Lexikon ist dieses Buch nicht. Eine Wortschmiede, wie im Untertitel angekündigt, ist es aber auch nicht. Wörter werden nicht „geschmiedet“, ich übersetze das für mich in gebildet/umgeformt/erfunden, nein, sie werden, geleitet von Themen, Feldern, Klängen, gesammelt, in einer Art Untertext erklärt, und innerhalb des Themas immer mit einem Bekanntheits-Störfaktor versehen.
Ein Beispiel: Die Illustration bildet einen Marktstand ab. Wörter, die dazu gehören, sind
Anpreisen
Ablehnen
Prahlen
Duft
Schnäppchen
reichlich
betörend
– dieses Wort ist der Störfaktor. Die Erklärung lautet „ganz wunderbar, verführerisch, unwiderstehlich“. In dieser Weise werden für 52 Wochen 52 Doppelseiten mit einer ausfüllenden Illustration und je sieben Wörtern gestaltet, welche in der Fußleiste mit wieder anderen Wörtern erklärt werden. Die Illustratorin lässt für „betörend“ an einem Blumenstrauß schnuppern, „aufbrausend“ reagiert ein Käfer auf die Zerstörung seiner Sandburg durch einen tollpatschigen Esel, „säuseln“ illustriert sie mit einem Schaf, das einem Esel („stur“) mit einer Möhre Aufmerksamkeit abringen will. Ihr Personal ist durchweg tierisch, sie platziert es sehr flächig auf einem monochromen Untergrund. Insgesamt herrscht eine vielfarbige, fröhliche Atmosphäre.
Kein Lexikon, keine Wortschmiede, aber ein bunter Wortschatz, der zum Wörter entdecken, Spiele erfinden, Vor- und Zurückblättern, zum Sprechen einlädt. Dass Kinder das wollen, dass sie neue Wörter kennenlernen wollen, zeigte mir eine Zweitklässlerin, die fragte, was denn „Priorität“ bedeutet. (Oh, wie könnte das in ein Thema, eine Illustration, in eine Erklärung eingebettet werden ..)
Ein Register am Schluss rundet den Wortschatz alphabetisch ab – also doch was zum Nachschlagen. Spannend wäre, das englische Original zu lesen!
Ab 4 Jahren
Hunde im Futur
Hunde im Futur? Wohl eine falsche Fährte! Denn, wie die Leser:in feststellen wird, ist die Bestimmung der Zeit die Sache von Verben, Adverben und Konjunktionen, während die Substantive, die Namenwörter, also die Hunde, es nur mit Genus, Singular, Plural, Kasus zu tun haben.
Erst in der Mitte des Buches erfolgt eine Andeutung per Bild: Hier entsteht eine Hundeschule - und schließlich erfahren wir, was Hunde in der Hundeschule lernen werden bzw. gelernt haben werden.
Bis dahin hat das Lesen von Text und Bildern schon großen Spaß gemacht! Eine eigentlich einfache Klapptechnik – jede rechte Buchseite lässt sich wie eine Doppeltür, wie ein Schrank aufklappen - entpuppt sich als raffinierte Unterbringung der notwendigen Beispiele für die grammatische Beschreibung unserer Sprache. Wir treten in diese Welt ein: Substantiv, Pronomen, Fälle, Zeiten … neue Bildräume öffnen sich, Illustrationen setzen sich unter der Klappe fort, oder durch Umklappen verändert sich die Szene. Das ist toll gemacht und durchdacht.
Zwei Autor:innen, eine Illustratorin, ein Grafiker haben nicht etwa den „Brei verdorben“, sondern ein Gericht zusammengestellt, das Kindern und Erwachsenen schmecken wird. Obwohl: ein paar schwerer verdauliche Zutaten gibt es. Da wäre die lateinische Begrifflichkeit zu nennen: sie wird ins Deutsche übersetzt, aber auch sehr nüchtern und streng. Das bleibt schwierig, für Kinder allemal. Glücklicherweise sind die Anwendungs-Beispiele in Text und vor allem Bild sehr anschaulich. Aber hier hat mich ein eher erzählender Bild-Text ratlos zurückgelassen. Zum Relativpronomen heißt es:
„Der Mann, der beobachtet wird, läuft zum Bahnhof.
Der Mann, dessen Frau eifersüchtig ist, läuft zum Bahnhof.
Die Frau, deren Mann ein Geheimnis hat, läuft zum Bahnhof.
Der Mann, dem das Herz schlägt, läuft zum Bahnhof.
Der Mann, den seine Frau nicht aus den Augen lässt, läuft zum Bahnhof.“
Dieses Beispiel fällt richtig aus dem Rahmen, weil es sich so gar nicht auf Kinderebene abspielt und auch für Erwachsene merkwürdig anmutet. Auf den dem Text zugehörigen Bildern trägt der Mann, der zum Bahnhof läuft, einen auffallenden Hut. Warum nicht anhand des Hutes die Geschichte durchdeklinieren?
Doch genug damit, die Buchmacher:innen schenken uns auf vielen Seiten viele gelungene Veranschaulichungen! Wie der Gebrauch bestimmter Formen den Klang der Sprache beeinflusst, zeigen sie im Kapitel „Imperfekt“. Der Gebrauch von starken Verben (nehmen – ich nehme – ich nahm) klänge im Gegensatz zum Gebrauch eines schwachen (legen – ich lege – ich legte) viel spannender und märchenhafter, der Abdruck eines Märchentextes als Beispiel folgt auf dem Fuß.
Dass es für Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen, (noch) kein Personalpronomen gibt, ist ihnen einen Hinweis wert und möglicherweise als Aufforderung zu nehmen, ein solches zu erfinden. (1)
Die Monotypietechnik der Illustrationen schafft mit ihren weichen Tönungen und den etwas unbestimmten Begrenzungen Spannung zum Gegenstand des Textes. Die Illustratorin startet beim „Substantiv“ mit nur zwei Farben, je tiefer die Leser:innen in die Vielfalt der Sprachformen eintauchen, desto farbiger werden die Szenen. Die Bilder und die Buchgestaltung vor allem werden dazu führen, dass „Hunde im Futur“ immer wieder zur Hand genommen werden wird! Und ja, möglicherweise macht dieses Buch Grammatik nahbar. Und das Cover - ein Hingucker, wie er im Buche steht.
(1) Im Jugendbuch „Bus 57“ – von Dashka Slater (bei Loewe erschienen) identifiziert sich ein Protagonist als agender und gebraucht das Personalpronomen „sier“.
Wer denkt sich die Wörter aus?
Wo kann ein Wortschatz gefunden werden? Und ist das überhaupt ein Schatz: Wörter?
Aber ja! Jedenfalls sind es viele Wörter, um die es geht, ungefähr 16000 in der Alltagssprache (die aber mit nur 40 Lauten und 30 Buchstaben gesprochen und geschrieben werden).
Aber nein! Denn diese Wörter, diese 16000, die haben wir ja schon! Wozu sie noch suchen und „heben“?
Den Autor:innen geht es gar nicht ums Sammeln, um Mengen und um Zahlen, ums Graben aber schon. Sie zeigen uns, welch einen wunderbaren Schatz unsere Sprache darstellt, wie und dass mit diesen 40 Lauten (und 30 Buchstaben), diesen tausenden Kombinationsmöglichkeiten, Bedeutung entsteht und wir uns verständigen können: Tisch, Stuhl, Auto, Regenschirm. Sie zeigen uns, welche Hilfen es gibt, wenn z.B. Wörter gleich geschrieben werden, aber unterschiedliche Bedeutungen haben ( - die Grammatik), oder eine doppelte Bedeutung haben ( - oft die Ortographie), oder wenn sie gleich aussehen, aber mit unterschiedlicher Betonung ausgesprochen werden ( - Montage .. es hilft der Zusammenhang). Dass wir Wörter aneinanderhängen und z.B. alle eine Vorstellung von „Tischbein“ haben, dass aber „Beintisch“ nicht geht …
„Tischbein ist auch so ein Wort. Du siehst sofort, woraus es besteht: Es wurde aus den kurzen Wörtern Tisch und Bein zusammengesetzt. (Woraus die Wörter Tisch und Bein bestehen, lässt sich jedenfalls nicht so einfach sagen). Und noch etwas siehst du gleich: Ein Ding, das Tischbein genannt wird, ist auf keinen Fall ein Tisch. Es ist immer ein Bein. Das Wort Tisch bestimmt dafür aber näher, um was für ein Bein es sich handelt – nicht andersherum. Nun, was für ein Bein ist es denn, unser Tischbein? Oder anders gefragt: Wie bestimmt das Wort Tisch das Wort Bein?
- Ist es wie beim Wort Kartoffelnase? Eine Kartoffelnase ist eine Nase, die wie eine Kartoffel aussieht. Klar. Dann wäre also ein Tischbein ein Bein, das aussieht wie ein Tisch? Wohl kaum.
- Oder ist es eher wie beim Wort Glasmurmel, also einer Murmel aus Glas? Dann wäre ein Tischbein ja ein Bein, das aus einem Tisch besteht. Unfug.
- Aber vielleicht wie bei Tischdecke? Das ist ja zur Hälfte sogar dasselbe Wort wie unser Tischbein. Eine Tischdecke ist eine Decke, die wir auf den Tisch legen. Also ist ein Tischbein ein Bein, das wir auf den Tisch … Nein, Schluss damit!“
……
Wir erfahren, dass Wörter wandern, unsere in andere Sprachen aus, andere in unsere Sprache hinein. Und dass sie auch ganz und gar auswandern können und in Vergessenheit geraten. Wer wusste schon, was ein (Ver)Hüllwort ist? Dann noch die Palindrome, die Vorwärts-so-wie-rückwärts-Wörter, und die, die von hinten gelesen eine neue Bedeutung haben; die Anagramme, und: heißt es nun gedownloaded oder downgeloaded? Dieses Buch spricht über die Herkunft von Orts- und Eigennamen (leider nicht über die von „Schniggenfittig“), und es entschlüsselt sogar den „satanarchäolügenialkohöllischen“ Wunschpunsch!
Das Ganze bildet eine höchst vergnügliche Lektüre! Viele Wort-Beispiele beziehen die Autor:innen aus (meist bekannter) Kinderliteratur von Michael Ende bis J.K.Rowling, alle am Seitenrand in einer Legende ausgewiesen. Last but not least: So wunderbar klare, offene, witzige und doch rätselige kleine Illustrationen und Vignetten habe ich schon lange nicht mehr in einem Sachbuch vorgefunden.
(Ein kleiner Wermutstropfen: Das Markierungs- und Symbol-System für das Zurechtfinden im Text und über diesen hinaus ist meines Erachtens überdimensioniert.)
Zusätzliches zum „Weitergraben“ bietet die Website www.sprachfutter.de