Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin

Buchcover "Der kleine Holzroboter"

Seit seinem Erscheinen 2021 wurde „Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin“ mit Preisen ausgezeichnet, in Großbritannien, in den USA, in Frankreich. In diesem Sommer ist das Buch auf Deutsch erschienen und auch hier reißt das Lob nicht ab: Goulds Zeichnerkolleg:innen von Rotraut Susanne Berner über Jutta Bauer und Anke Kuhl sind restlos begeistert. Tom Gould ist „eigentlich“ Comic-Zeichner und – Autor, sein geometrisch-plakativer Stil unverwechselbar. Jetzt also: ein Märchenbilderbuch!

„Es waren einmal ein König und eine Königin, die herrschten über ein schönes Land. Doch sie hatten keine Kinder.“ Der Erzähler verzichtet auf fast jedes beschreibende, ausschmückende Wort, und das bleibt so bis zum Schluss der Geschichte. Das Beschreibende obliegt den Bildern.

Die königliche Erfinderin und die Hexe im Wald können Abhilfe schaffen und so werden gleich zwei Kinder „geboren“: Ein kleiner Holzroboter und eine Baumstumpfprinzessin. Freilich hat das neue Glück einen Haken. Wenn die Prinzessin einschläft, verwandelt sie sich in einen Baumstumpf zurück – jeden Morgen muss sie mit einem Sprüchlein entzaubert werden. Der Bruder erledigt das sehr zuverlässig, bis eines Morgens der Wanderzirkus zu Besuch kommt und er aus dem Schloss stürmt. Ach, zu spät fällt ihm ein, was er vergessen hat, das Zimmermädchen hat den Baumstumpf im Bett der Prinzessin schon entsorgt!

Wahrlich märchenhaft, dass dem kleinen Holzroboter auf seiner Suche in einer unübersehbaren Menge gleichartiger Baumstümpfe (einer ganzen Schiffsladung!) der EINE bekannt vorkommt! Der Rückweg zum Schloss mit dem Baumstumpf im Handkarren ist gefährlich. Die zahlreichen Abenteuer präsentiert uns der Erzähler lediglich per „Plakat“, wir müssen sie selbst auserzählen … Allein schon die Überschriften lassen glaubwürdig erscheinen, dass irgendwann die Gelenke und Scharniere des Holzroboters erschöpft sind. Mit letzter Kraft weckt er seine Schwester und jetzt ist es an ihr, den Rückweg fortzusetzen. Auch die Baumstumpfprinzessin erlebt viele Abenteuer, auch hier zu viele, um sie alle im Buch erzählen zu können: Die hinterlistigen Elfen, Der Spukbrunnen, Der Säugling im Rosenstrauch … Ja, und auf gar keinen Fall darf die Prinzessin einschlafen!

Es ist alles da in dieser warmherzigen Geschichte: Magie, ein Unglück, Mut, Empathie, Bewährung und Über-sich-hinauswachsen und der kleine Dreh, der, frühzeitig angelegt, am Ende für Rettung sorgt. Erstaunlich, wie gut die statische Bildsprache die Erzählung emotional stützt. Obwohl oft nur Schraffur und etwas Farbe die Figuren zeichnerisch differenzieren, sind sie äußerst präsent. Akkurate Panels, ebenso akkurat angelegte reich illustrierte Bühnenpanoramen (der "Tischlerschuppen" der königlichen Erfinderin), reduzierte Bildebenen (das Meer): Comic-Elemente dominieren die Bildwelt dieses Märchens.

Eigentlich hatte schon das Schlaglicht auf dem Cover, in dessen Kegel Holzroboter und Baumstumpfprinzessin Hand in Hand durch den Comic-Wald spazieren, geklärt: die beiden sind ein unschlagbares Gespann!

Tom Gould
Der kleine Holzroboter und die Baumstumpfprinzessin
Aus dem Englischen von Jörg Mühle
Moritz Verlag
2022
o.P.
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