Sie sind schon alt an Jahren, die ersten Gedichte von Josef Guggenmos für Kinder. Auch sein berühmtestes, „Was denkt die Maus am Donnerstag?“, das Eingang in viele Lesebuchausgaben fand (als es die noch gab), hat schon die 50 überschritten. Josef Guggenmos ist 2003 gestorben, seine Gedichte aber leben noch und bewegen sich in immer neuen Zusammenstellungen durch immer wieder neue Lyrik-Anthologien.
Die jüngste, „Es flüstert & rauscht“, ist in diesem Sommer bei Beltz und Gelberg erschienen. Zwölf Naturgedichte sind dafür ausgewählt worden, zwölf von ich weiß nicht wie vielen – über 1000, heißt es in Publikationen über Guggenmos. Meine Guggenmos-Schätze geben doch einige her: o je, wie hätte ich ausgewählt?
Es war mal einer ../ Es war einmal ../ Als ich ../ Es geht ../ Eines Nachts ..: lauter kleinste und kleine Erzählungen, die einem lyrischen „du“ die Welt zeigen, die ein „ich“ bestaunt, die zum Wundern sind. Meist zarte Sprachbilder und der eigene Rhythmus bringen alles zum Klingen. Fragte man mich nach einer Illustrierung der Texte - ich wüsste nicht … vielleicht …
„Es flüstert & rauscht“ schwelgt in Illustrationen! Das ist auch irgendwie notwendig, damit aus 12 Gedichten ein Buch werden kann. Erst einmal ist es eine gute Idee der Herausgeberin Stefanie Schweizer, 11 bei uns noch weniger bekannte Illustrator:innen um diese 12 Gedichte zu versammeln. Einzig Jonas Lauströer steht zwischen diesen und den gegenwärtig etablierten, z.B. Rotraut Susanne Berner oder Nikolaus Heidelbach, Sabine Friedrichson und auch Jens Rassmus, die alle Guggenmos-Texte bebildert haben.
Aber: die meisten Illustrationen finde ich laut. Sie stülpen sich über die Gedichte, manchmal zwei Doppelseiten lang. Haben zwar den Text (in Handlettering) eingearbeitet, schaffen aber meiner Ansicht nach keinen neuen Zugang dazu, sondern bilden eine für sich andere Vorstellung vom Gewitter, vom Wind, vom Riesen, der einen Stein warf, ab. Das kann sicher interessant sein, wenn aus dem Gegensatz eine Spannung zum Gedicht entsteht - m.E. funktioniert das öfter nicht.
Natürlich gibt es auch gelungene Beispiele! Eben jener Jonas Lauströer illustriert dieses Gedicht:
Versteinerung
In einem Acker fand ich eine Muschel.
Hier war vor Jahrmillionen einmal ein Meer.
Da liegt sie nun,
Nachricht von weit her,
auf meiner Hand die Muschel:
Stein geworden,
schwer.
Die folgende Doppelseite zeigt Ackerboden (oder ist es Meeresboden?), Weide, darauf Kühe, drumherum Fische, ein Wal, eine Robbe, über allem liegt ein bläulicher Wasserschleier: im Muschelstein ist Leben gespeichert – auch die Knochen der hier gezeichneten Tiere werden irgendwann, in Jahrmillionen, Steine sein.
Oder das Gedicht von den Unken, „im Himmelreich wohnend“, deren Gesang Guggenmos als „leises Läuten“, „wunderzarten Klang“, „fröhlichen Gesang“ beschreibt. Die Unken von Maren Profke sitzen bräsig und missmutig in ihrer Pfütze und holen eine gute Portion Ironie aus dem Text ans Tageslicht.
Es gibt wunderbare Details, z.B. von der Spitzmaus, der, die den Wind entfesselt hat. Sie hat ein herrlich freches grinsendes Maul (auch Maren Profke)! Und dass Taltal Levi einen schönsten Rotfuchs malen kann, hat sie schon in ihrem Bilderbuch „Wo ihr mich findet“ unter Beweis gestellt. Und die wimmelige Käfer-Raupen-Maden-Welt tief im Boden, die möglicherweise das Geheimnis lüftet, was Würmer beim Wühlen fühlen, wird Kindern Spaß machen (Max Fiedler).
Insgesamt bin ich froh, dass jedes Gedicht außer der Bebilderung auch eine eigene Seite bekommen hat, auf der es einfach nur aufgeschrieben steht.
Ein Nachwort von Arne Rautenberg, er war der erste Preisträger des Guggenmos-Lyrik-Preises, der alle zwei Jahre verliehen wird, beschließt die Anthologie.